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Stan Laurel und Oliver Hardy waren das wohl berühmteste Komiker-Duo der Filmgeschichte. Als Urväter des Comedy bleiben sie uns mit ihren humorvollen Botschaften gern in Erinnerung. Ihre brillante Situationskomik ist einzigartig, aber alles andere als ein simpel ausgedachtes Konzept, denn die Komödien von Laurel und Hardy basierten nicht wie üblich auf einer fertigen Story. Zudem verband Laurel und Hardy nicht nur eine erfolgreiche Zusammenarbeit, sondern auch eine Freundschaft, auf die beide sich verlassen konnten.
Beide Akteure brachten in ihre Schauspielkunst persönliche Lebenserfahrungen mit ein, was ihren Darstellungen besondere Glaubwürdigkeit verlieh. In gleichem Maße lieferten sie ein konkretes Bild von sich. Heraus kam das unverwechselbare Markenzeichen von Stan Laurel und Oliver Hardy, die sich als ungeschickte und törichte Charaktere, kombiniert mit körperbezogener aktionsreicher Komik, präsentierten. Diese Form von tollpatschigem Klamauk, gepaart mit einer Portion kindlicher Gestik, der man einfach nicht böse sein konnte, brachte ihnen schnell die wenig schmeichelnden Beinamen Dick und Doof ein.
Es hatte den Anschein, als schienen Laurel und Hardy in den Augen mancher Filmkritiker das Aushängeschild für Dummheit zu sein, als ob dies der Inbegriff dessen war, was beide Künstler berühmt und erfolgreich gemacht hat. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Laurel und Hardy alles andere als dumm waren, denn sie verkörperten in Wahrheit viel mehr als das Image von dem Dicken und dem Doofen, dass man ihnen anlastete.
Am 18. Januar 1892 erblickte Oliver Norvell Hardy in Harlem, Georgia, das Licht der Welt. Oliver Hardy stammte aus einer kinderreichen Familie, weil beide Elternteile, sowohl die Mutter als auch der Vater, zuvor bereits Ehen eingegangen waren. Der kleine Oliver war gerade ein paar Monate alt, als sein Vater verstarb und die ganze Verantwortung nun auf den Schultern seiner Mutter Emily lastete. In der nachfolgenden Zeit hatte es die Familie schwer, über die Runden zu kommen. Erst die Vermählung einer Tochter, die in eine einflussreiche Familie eingeheiratet hatte, führte zu einer spürbaren Verbesserung der Finanzen.
Emily Hardy bekam einen Posten als Hotelmanagerin vermittelt. Ihr Sprössling nutzte das Hotel als Bühne, um vor den Hotelgästen gesanglich aufzutreten. Der junge Hardy erntete regen Zuspruch, und auch sein schauspielerisches Talent verleitete ihn schnell zu der Wunschvorstellung, im Theater- und Showgewerbe Fuß zu fassen. Seine Neigung, ein Leben für die Bühne zu führen, machte die tägliche Schulbank uninteressant für ihn – folglich sorgte sein neu gewonnener Enthusiasmus für eine rapide Verschlechterung seiner Leistungen.
Ein nahe gelegenes Lichtspieltheater machte die Enttäuschung seiner Mutter dann perfekt, denn ihr werter Herr Sohn hatte es sich lieber zur Aufgabe gemacht, als Vorführer von Stummfilmen zu arbeiten und somit den ersten Kontakt zum Kino herzustellen. Schon bald avancierte er zu einer beliebten Persönlichkeit und beschloss in Anlehnung dessen, was er auf der Leinwand gesehen hatte, ins Schauspielfach zu wechseln, da sein Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten enorm gestiegen war. Zunächst musste Oliver sich mit kleineren Rollen begnügen und nutzte jede Gelegenheit bei den örtlichen Filmgesellschaften, hinter die Kulissen zu schauen, um Dreharbeiten beizuwohnen.
Doch lange brauchte Hardy nicht mehr von der Welt des Films zu träumen, denn unverhofft verschaffte ihm die Anfrage eines Regisseurs seinen allerersten Filmauftritt. Olivers überzeugendes Debüt wurde mit einem festen Vertrag honoriert, und damit war der Grundstein für seine kommende Karriere gelegt. Bald stellte sich bei Hardys Filmeinsätzen sein vordergründiges Talent für Komödien heraus, weil er – im Gegensatz zu seinen Kollegen – Emotionen und Komik durch Körperhandlungen ausdrücken konnte. Inmitten einer wachsenden Filmindustrie verdingte sich Oliver Hardy seinen Lebensunterhalt als freier Schauspieler und nahm eine Reihe unterschiedlicher Rollenangebote an. Unter anderem bekam er von Jess Robbins eine Rolle in dem Film "The Lucky Dog" angeboten. Gilbert Anderson, der den Film produzierte, brachte Stan Laurel als Hauptdarsteller mit ins Team und sorgte damit für eine erstmalige Begegnung beider Komiker-Genies.
Das erste Treffen verlief ziemlich unbedeutend, denn die beiden Komödianten nahmen so gut wie keine Notiz voneinander. Niemand dachte an eine Freundschaft, geschweige denn an eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Doch acht Jahre später bestimmte Gevatter Zufall alles anders. Oliver Hardy befand sich zu jener Zeit in einer schwierigen Phase. Finanzielle Schwierigkeiten veranlassten ihn zur Annahme eines Rollenangebots bei Hal Roach, der ihn unter Vertrag nahm. Bei der Gelegenheit traf er erneut auf seinen Schauspielkollegen – Stan Laurel – mit dem er sich nach einer gewissen Zeit auf einmal glänzend verstand.
Stan Laurel wurde als Arthur Stanley Jefferson am 16. Juni 1890 in dem Ort Ulverston in England geboren. Erst im Verlauf seiner Schauspielkarriere nahm er den Künstlernamen "Stan Laurel" an. Stan hatte das große Glück, in eine Künstlerfamilie hineingeboren zu werden. Sein Vater war Leiter einer bekannten Theatergruppe und arbeitete hinter den Kulissen, während seine Mutter als Mitglied der Schauspieltruppe aktiv auf der Bühne mitwirkte. Wen wundert es also, dass Stan sich von der Theaterbühne magisch angezogen fühlte. Aus nächster Nähe konnte er die Bühnenarbeiter und Schauspieler bei ihrer täglichen Arbeit beobachten und so selbst Erfahrungen sammeln, die ihn schon als kleiner Junge geprägt hatten. Inspiriert vom bunten Treiben dachte er sich schon bald eigene Inszenierungen aus und trat mit einigen Schulkameraden vor der erstaunten Nachbarschaft auf.
Auch in der Schule blieb die komödiantische Begabung des jungen Stanley nicht unbemerkt. Das Lehrerkollegium versammelte sich gern in den Abendstunden, um sich von den Scherzen und Aufführungen des angehenden Komödianten amüsieren zu lassen. Seine kleinen Erfolge waren schon bald Anlass dafür, dass Stanley sich ein neues Komikprogramm ausdachte. Immer mehr fühlte er sich dazu ermutigt, neue komische Rollen einzustudieren, die beim Publikum auf entsprechende Resonanz stießen. Der positive Effekt kam schließlich aus einer völlig unerwarteten Richtung. Der Vater, einst widerstrebend und einer Schauspielkarriere abgeneigt, zeigte sich plötzlich einsichtig und verkündete voller Stolz, dass er von nun an seinen Sohn in jeglicher Hinsicht unterstützen werde. Stanley verdingte sich in der Anfangszeit seines Schaffens seinen Lebensunterhalt, indem als Solodarsteller durch die Gegend zog. Eines Tages bot sich für Stanley die Gelegenheit, für die bekannte Karno-Theatergruppe als Ersatzmann für Charlie Chaplin zu fungieren. Diesen Part führte er für ein paar Jahre aus und teilte sich mit Chaplin jeweils die Hauptrolle.
Doch schon bald rückte die nächste Veränderung im Leben von Stanley Jefferson immer näher. Fest entschlossen, sein Glück in den USA zu versuchen, stellte er sich bereits der nächsten Herausforderung. In der Anfangszeit hatte er sichtlich viel Spaß und führte mit einer von ihm gegründeten kleinen Schauspieltruppe ein zunächst unbeschwertes Leben. Mit dem Bühnenstück "The Crazy Crackman" konnten sich Stanley und seine Mitstreiter immerhin ein wöchentliches Gehalt erarbeiten, von dem sie munter in den Tag hineinlebten. Stanley steuerte mit kleinen Schritten dem Erfolg entgegen, und im Zuge von zunehmender Professionalität störte er sich schon bald an seinem Nachnamen. Ausgerechnet ein römischer General mit dem klangvollen Namen Scipio Africanus Major, der einen Lorbeerkranz um den Kopf gewunden hatte, inspirierte einen Kollegen zu dem Nachnamen Laurel, der übersetzt Lorbeerkranz bedeutet. So wurde aus Stanley Jefferson "Stan Laurel", der nun fortan unter diesem Namen firmierte.
Bei einem Bühnenauftritt in Los Angeles machte Stan Laurel nicht nur mit seinem neu angenommenen Künstlernamen eine gute Figur. Sein Potenzial war so überwältigend und offenbar in den Augen des Theaterbesitzers ausreichend, um auch auf der Kinoleinwand zu brillieren. Prompt engagierte man ihn für eine Kinoproduktion, die der Auftakt für eine Reihe von Kurzfilmen werden sollte. Lange währte der Karrieresegen jedoch nicht, denn die Filmproduktionen mussten wegen organisatorischer Schwierigkeiten eingestellt werden. Auch wurden die Filmangebote wegen Laurels zänkischer Ehefrau rar, die ständig auf eine Filmpartnerschaft an der Seite ihres Mannes bestand.
Mit der Zeit sah Stan ziemlich heruntergekommen aus, hatte phasenweise – bedingt durch seinen Ehestress – alkoholische Probleme, was zur Folge hatte, das Produzenten eine Zusammenarbeit mit ihm scheuten. Dabei war die Lösung des Problems zum Greifen nahe. Um dem Alkohol zu entsagen, brauchte er eine Chance. Joe Rock produzierte mit Laurel einige erfolgreiche Kurzfilme und brachte sogar seine Ehefrau dazu, sich aus den Produktionen herauszuhalten. Schließlich bezahlte er der streitbaren Mae Laurel sogar die Rückreise in ihre Heimat, mit der Auflage, nie wieder zurückzukehren. Das war die Sternstunde des Stan Laurel.
Doch wie kam es nun zu einer Zusammenarbeit mit Oliver Hardy? Anfänglich weigerte sich Stan Laurel, der genauso wie Hardy bei Hal Roach unter Vertrag stand, mit Oliver gemeinsam vor der Kamera zu stehen, weil dieser befürchtete, Hardy könnte ihm die Show und somit den Erfolg stehlen. Doch es war gerade Oliver Hardy, der durch einen peinlichen Unfall in der Küche unbewusst den Weg für eine gemeinsame Zukunft ebnete. Da Hardy sich durch Fettspritzer das Handgelenk verbrannt und zudem auch noch ein Bein ausgerenkt hatte, fiel er für Dreharbeiten komplett aus. Als Ersatzmann fungierte Laurel und nach Hardys Genesung brachte der Regisseur Leo McCarey Hardy und Laurel als Team zusammen. Das war der Auftakt des genialen Komikerduos, dessen Filme erst in den USA und später weltweit für Furore und volle Kassen sorgten. Die Komödien von Laurel und Hardy sind nicht nur einzigartig, sondern wichen auch von der üblichen Vorgehensweise ab. Die beiden Künstler arbeiteten nicht nach einem fertigen Reaktionsmuster, sondern agierten aus der Situation heraus, was den Handlungsspielraum beträchtlich erhöhte, aber auch ein hohes Maß an Improvisation abverlangte.
Stan und Ollie vermittelten ihre Komik stets überzeugend, als wären die Rollen, die sie verkörperten, ein Spiegelbild ihrer selbst. Die Rollenverteilung beruht auf einer genialen Kombination aus Hardys einfacher Denkweise und Laurels Unbeholfenheit. Während Oliver mit einfältigen Ideen aufwartete, um alles zum Besten zu wenden, war Stans Ungeschicklichkeit stets der Auslöser für ein Fiasko. Im Angesicht des Desasters war die kontrastreiche Mimik beider Akteure ebenso genial wie situationsgerecht. Oliver Hardy, der fast immer bei hohem Körpereinsatz in Unfälle verwickelte wurde, zeigte zumeist eine entsetzte, erstarrte bis fassungslose Mimik, während Laurel, der Verantwortliche der eigentlichen Katastrophe, mit beschämender ängstlicher Unschuldsgestik konterte.
Oliver Hardy läutete mit seinem Tod am 07. August 1957 das Ende der Laurel- und Hardy-Ära ein. Stan Laurel konnte dies nur schwer verkraften. Er verstarb am 23. Februar 1965. Laurel und Hardy bleiben uns mit ihrer einzigartigen Situationskomik unvergessen. Ihre Filme zeigen einmal mehr, dass ihr schauspielerisches Potenzial ihnen wahre Größe verlieh – und so erscheint uns die ehrenvolle Auszeichnung, als erfolgreichstes Komikerduo aller Zeiten zu gelten, mehr als gerecht.
© Textbeitrag "Laurel und Hardy: Die Urväter des Comedy": Anja Junghans-Demtröder. Illustration von Stan und Ollie: Thomas Alwin Müller, littleART.
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